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Juckreiz – ein verkanntes Volksleiden

9. Dezember 2009 - Prof. Sonja Ständer

Juckreiz ist keineswegs nur eine lästige Bagatelle: Dauerjucken kann zur Verzweiflung treiben und sogar als Warnsignal auf eine innere Erkrankung hinweisen. Hartnäckigen Juckreiz daher unbedingt ernst nehmen und Rat beim Hautarzt suchen! Weit mehr Menschen als bislang vermutet leiden an Juckreiz, fachsprachlich Pruritus, berichtet Prof. Dr. Sonja Ständer, Hautärztin und Leiterin des Kompetenzzentrums Pruritus am Universitätsklinikum Münster. Eine in Deutschland erstmalig durchgeführte Befragung von über 11.000 Berufstätigen ergab, dass nahezu 17 Prozent unter Juckreiz leiden. Damit erweist sich Juckreiz als bislang erheblich unterschätztes „Volksleiden“. Juckreiz ist eine eigenständige Sinnesempfindung, die unabhängig von der Schmerzempfindung entsteht. „Juckreiz“ wird über spezielle Nervenbahnen zum Gehirn gemeldet und löst unmittelbar den Reflex „Kratzen“ aus. Mit „gutem Willen“ allein lässt sich der Drang, zu kratzen, nicht unterdrücken. Doch aufgekratzte, entzündete Haut juckt umso stärker – ein Juckreiz-Kratz-Teufelskreis kann entstehen.

Hartnäckiger Juckreiz quält, dass man „aus der Haut fahren könnte“, raubt den Schlaf und schränkt Konzentration und Leistungsfähigkeit ein. Wer sich ständig kratzen muss, gilt gar als „unsauber“ und fühlt sich nicht selten stigmatisiert. Chronischer – das heißt mindestens sechs Wochen anhaltender - Pruritus kann die Lebensqualität daher erheblich beeinträchtigen. „Chronischen Juckreiz sollte man daher unbedingt ernst nehmen und die Ursache abklären lassen“, betont Sonja Ständer. Viele Hauterkrankungen wie Neurodermitis gehen mit schier unerträglichem Juckreiz einher. Chronischer Juckreiz kann aber auch ein Warnsignal für verschiedene innere Erkrankungen sein, beispielsweise der Leber oder Niere. Diabetes, Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Eisenmangel können weitere Ursachen sein, ebenso Erkrankungen des Nervensystems. Im Rahmen von Depressionen kann es ebenfalls zu Pruritus kommen. Alleinige psychische Ursachen des Juckreizes seien dagegen selten, berichtet Professor Ständer.

Wird die Grunderkrankung behandelt, lässt auch der quälende Juckreiz oft nach. Nicht selten hat sich jedoch bereits ein „Juckreizgedächtnis“ ausgebildet und es juckt weiter, obwohl die Ursache behoben wurde. In vielen Fällen wirken zudem verschiedene Faktoren wie trockene, empfindliche Haut, Stoffwechselstörungen und anhaltende Stressbelastung zusammen. Ein effizientes Management des chronischen Juckreizes sollte daher mehrere Bausteine umfassen, die individuell auf den Patienten abgestimmt werden:

Betroffene sollten möglichst alles meiden, was den Juckreiz verstärken könnte: Statt ausgedehnter heißer Schaumbäder besser nur kurz lauwarm duschen. Schwitzen kann Juckreiz verschlimmern; daher die Raumtemperatur kühl halten und auf luftige Kleidung achten. Auch auf zuviel Alkohol, scharfe Gewürze und heiße Getränke verzichten. Stress wirkt sich ebenfalls ungünstig aus; deshalb für ausreichend Entspannung und Erholung sorgen. Besonders wichtig sei eine konsequente rückfettende, feuchtigkeitsspendende Basispflege der Haut, betont Sonja Ständer. Gerade im Winter ist die Haut oft besonders trocken und neigt vermehrt zu Juckreiz. Um akuten Juckreiz zu bekämpfen, steht eine ganze Reihe Cremes und Lotionen zur Verfügung, die kurzfristig juckreizstillende Wirkstoffe enthalten – welches Produkt individuell am besten geeignet ist, sollte jeder selbst ausprobieren.

Zudem wird oft eine langfristige medikamentöse Unterdrückung des Juckreizes nötig. Hierfür kann der Dermatologe verschiedene erprobte und neu entwickelte Medikamente verordnen: Dazu zählen bestimmte Antihistaminika- Kombinationen sowie entzündungshemmende Kortikosteroide oder Calcineurininhibitoren. Opioidrezeptorantagonisten können im Rückenmark die Juckreizweiterleitung blockieren. Cannabinoidhaltige Präparate beruhigen die Jucknerven und Capsaicin, der „Scharfmacher“ aus den Chilischoten, lässt die überempfindlichen Nervenendigungen in der Haut abstumpfen. Kurzzeitig können auch Antidepressiva wie die modernen Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer eingesetzt werden. In sehr schweren Fällen kann Cyclosporin A erwogen werden, das zu einer Unterdrückung des Immunsystems führt. Akute Kratzspuren sollten mit antientzündlichen Präparaten behandelt werden. Mit diesen Behandlungskonzepten lässt sich der Pruritus bei rund 70 Prozent der Patienten in den Griff bekommen, berichtet Professor Ständer. Derzeit werde intensiv an weiteren Therapiemöglichkeiten geforscht.

Erste Hilfe bei Juckreiz

- Bei akuten Juckreizattacken die Haut mit sofort wirksamen, juckreizstillenden Präparaten eincremen. Wird die Creme im Kühlschrank aufbewahrt, hat sie zudem einen angenehm kühlenden Effekt.
- Ein kühler Waschlappen oder das kurzzeitige Anlegen von feuchten Umschlägen, beispielsweise mit schwarzem Tee, mildert ebenfalls den Juckreiz.
- Alkoholumschläge oder Eispackungen bringen nur kurzfristig Linderung, schädigen aber die Haut und fördern dadurch letztlich den Juckreiz.
- Nicht mit Bürsten, Messern oder anderen Hilfsmitteln kratzen. Die Haut lieber sanft reiben, klopfen oder massieren.
- Den Kratzreflex „umleiten“ und ein Kissen oder die Bettdecke statt der Haut kratzen.
- Eine kreative Beschäftigung für die Hände kann vom Kratzen ablenken.
- Entspannungsübungen können helfen, das akute Kratzbedürfnis abzubauen.

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